Bevor wir in die Thematik einsteigen, ein Disclaimer vorab: »Lektorin«* ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Das heißt, theoretisch kann sich jeder Mensch so nennen, sofern er das möchte. Was einerseits einen niedrigschwelligen Einstieg in den Beruf bedeutet, heißt auf der anderen Seite aber auch, dass Schreibenden eine enorme Zahl an Personen zur Verfügung steht, um auch nur eine Vorauswahl zu treffen. Wie findet man sich also in dem Dschungel aus Angeboten zurecht? Wie erkenne ich ein gutes Lektorat? Und: Wie finde ich sie denn – die Lektorin, die zu mir und meinem Manuskript passt?
Um euch die Orientierung in diesem Artikel ein wenig zu erleichtern, habe ich ihn in vier Sparten aufgegliedert:
- Fachliche Qualifikation
- Persönliches und Zwischenmenschliches
- Inhaltliches und handwerkliches Know-How
- Absolute Red Flags
Legen wir also gleich los, denn heute haben wir einiges vor – und ihr seid danach bestens gerüstet für die Suche nach der für euch passenden Lektorin!
Fachliche Qualifikation
… oder auch: Sprachgefühl allein macht noch kein gutes Lektorat.
Ausbildung, Weiterbildung und Qualifikationen: Während früher noch ein geisteswissenschaftliches Studium und das anschließende Verlagsvolontariat für den Einstieg ins Lektorat nahezu unumgänglich war, hat sich in dieser Hinsicht viel getan. Es gibt einige umfassende Weiterbildungen (Akademie der Deutschen Medien, Textehexe, …), die eine fundierte Schulung und angewandte Textarbeit beinhalten und damit bestes Rüstzeug für die tägliche Arbeit im Lektorat sind. Denn ein Studium allein macht nicht unbedingt eine gute Lektorin aus, schafft aber natürlich schon mal bessere Voraussetzungen, vor allem, was die Analyse von Texten angeht. Darüber hinaus sollte die Lektorin eurer Wahl sich regelmäßig weiterbilden, um handwerklich und branchenseitig am Ball zu bleiben. Auch Lektorinnen lernen nie aus. Nachweise über Aus- und Weiterbildung könnt ihr in der Regel der Website der jeweiligen Lektorin entnehmen. Was mich zum nächsten Punkt bringt.
Website: Gibt es neben einer Präsenz auf Social Media auch eine eigene Website? Wenn ja, dann sind dort bestenfalls auch gleich ein paar Infos zu den Qualifikationen der jeweiligen Lektorin aufgeführt. Was aber auf alle Fälle vorhanden sein sollte: eine Postadresse im Impressum. Wenn gleich das ganze Impressum fehlt: lieber Finger weg!
Referenzen (sowohl Testimonials als auch lektorierte Buchtitel): Die Lektorin eurer Wahl hat ihre Referenzen aufgelistet? Sind da auch Bücher in dem Genre dabei, in dem ihr selbst schreibt? Gibt es Stimmen von Kundinnen, die zufrieden waren und auch benennen können, was ihnen an der Zusammenarbeit mit der jeweiligen Lektorin gefallen hat? Sind die genannten Punkte solche, die auch euch selbst wichtig sind? Wenn ihr jetzt genickt habt, ist das ein sehr gutes Zeichen, dass ihr eurem Lieblingslektorat bereits auf der Spur seid.
Lektorierte Genres: Hier ist ein wenig Vorsicht geboten, wenn nahezu alle gängigen Genres aufgelistet sind. Vielleicht ist die Person schon sehr erfahren und hat über die Jahre zahlreiche Genres bearbeitet, das ist zwar durchaus möglich – aber sehr unwahrscheinlich. Zu einem guten Lektorat gehört auch die Kenntnis der Gepflogenheiten eines Genres und davon, was Lesende von einem Buch erwarten. Bei einer Vielzahl an Genres und Untergenres über all das den Überblick zu behalten, ist sehr schwer bis unmöglich und entsprechend unkonkret kann das Lektorat ausfallen.
Mitgliedschaft im VFLL (Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren e.V.): Kein Muss, aber ein zusätzliches Siegel, um Qualität sicherzustellen. Ordentliches Mitglied im VFLL kann nur werden, wer regelmäßig lektoriert und dafür die entsprechenden Nachweise bringt. Zudem bietet der VFLL Weiterbildungen an und die Mitglieder sind untereinander gut vernetzt. Über deren Datenbank (lektoren.de) könnt ihr außerdem direkt nach Dienstleistung und Genres filtern, um nur die Lektorinnen angezeigt zu bekommen, die für euch infrage kommen.
Probelektorate: Sollten IMMER angeboten werden und können, müssen aber nicht kostenfrei sein (in der Regel wird maximal eine Aufwandspauschale berechnet, die bei Beauftragung dann verrechnet wird). Nur mit einem Probelektorat könnt ihr feststellen, ob euch die Arbeitsweise der Lektorin zusagt und ob ihr mit den Kommentaren euer Manuskript gut überarbeiten könnt.
Pro-Tipp: Kritik einzustecken ist nie leicht, selbst dann, wenn sie konstruktiv ist. Schlaft also erstmal eine Nacht drüber, wenn ihr das Probelektorat zurückbekommt und entscheidet dann, wo ihr ein Lektorat bucht. Oftmals zeigt sich erst in der Ruhe nach dem anfänglichen Sturm, ob die Kritik bei euch auf fruchtbaren Boden gefallen ist.
Persönliches und Zwischenmenschliches
Das allerallerwichtigste Kriterium überhaupt bei der Auswahl ist die Chemie zwischen Autorin und Lektorin. Denn wenn die nicht stimmt, wird es auch mit dem Lektorat schwierig und die Gefahr ist groß, dass dann am Text vorbei lektoriert wird – oder in der Folge an den Kommentaren vorbei überarbeitet. Meist zeichnen sich aber bereits im Erstgespräch Tendenzen ab und ein anschließendes Probelektorat verschafft noch mehr Klarheit.
Nach dem Probelektorat lassen sich dann auch weitere Punkte abklappern:
- Fühle ich mich durch die Kommentare motiviert, an meinem Text zu arbeiten?
- Fühle ich mich als Autorin trotz der Kritik wertgeschätzt?
- Kann ich mit Kritik und Kommentaren etwas anfangen? Bei dieser Frage sollte allerdings mehr Spielraum gegeben werden: Denn dass Lektorin und Autorin in 100 % der Fälle übereinstimmen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Und keine Lektorin wird von euch verlangen, alles so zu übernehmen, wie von ihr angeregt. Ein paar harte Vetos kann es schon mal geben, aber auch die solltet ihr zumindest miteinander besprechen und diskutieren können.
Inhaltliches und handwerkliches Know-How
Wie sind Kommentare formuliert? Ein »Kannste so nicht machen, weil ist nicht« mag zwar zunächst witzig klingen, hilft aber kaum weiter. Ein guter Kommentar benennt, warum etwas im Text nicht funktioniert und welche Wirkung das auf Leserinnen hat – und zeigt Möglichkeiten auf, wie es besser klappen könnte. Nicht immer muss gleich ein Alternativvorschlag kommen, aber die Erklärung sollte nie fehlen.
Wie die Arbeit am Text konkret gestaltet wird, ist letztlich Sache der gemeinsamen Absprache. Damit ihr nicht nur vor einen vollendeten Text gesetzt werdet, sondern für euer eigenes Schreiben in der Zukunft etwas mitnehmen könnt, sollte nicht nur mit »Änderungen nachverfolgen« am Text herumgeschraubt, sondern zudem mit der Kommentarfunktion gearbeitet werden. Eigentlich ist das selbstverständlich. Wenn euch das als zusätzliches Feature verkauft wird, seid lieber skeptisch, denn zu einem guten Lektorat gehören diese beiden Tools (Kommentare und nachverfolgte Änderungen) einfach dazu.
Und wenn die Skepsis sogar Saltos schlägt, sind wir bei den absoluten No-Gos im Lektorat und den Dingen, bei denen ihr lieber schneller als schnell die Beine in die Hand nehmen solltet: Absolute Red Flags
Wenn euch jemand verspricht, dass ihr mit einem Lektorat bei dieser Person definitiv einen Bestseller landen werdet oder mit einem Exposé- und Leseprobenlektorat von einer Agentur oder einem Verlag genommen werdet: Finger weg! Das kann niemand garantieren, nicht einmal die weltbeste Lektorin. Die Chancen erhöhen, ja, definitiv. Aber wenn euch das jemand garantiert – lieber schnell weglaufen.
Ein Lektorat zu Schleuderpreisen: Vielleicht habt ihr Glück und ihr seid an jemanden geraten, der nicht von der eigenen Lektoratsarbeit leben muss – dann freut euch drüber und freut euch noch mehr, wenn die Arbeit auch noch gut ist. Aber seid euch bitte bewusst, dass ein professionelles Lektorat seinen Preis hat. Denn um gute Arbeit zu leisten, ist es eben nicht zielführend, 40 Seiten in der Stunde durchzujagen und dann nur ein, zwei Kommentare dazulassen – und das müsste man tun, um Preise von ein bis zwei Euro die Normseite halten zu können.
Außerdem solltet ihr die Beine in die Hand nehmen, wenn jemand bereits beim Probelektorat sagt, dass ihr euer Manuskript in die Tonne kloppen solltet – oder es für Unsummen doch noch lektorieren lassen könnt. Eine gute Lektorin sollte euch immer ehrlich sagen, wo ihr mit eurem Manuskript steht und was ihr tun könnt, um euch weiterzuentwickeln. Vielleicht ist der Text zwar noch nicht bereit für ein Lektorat, aber eine Manuskriptprüfung oder ein Schreibcoaching (in dem Fall die weitaus preiswerteren Alternativen) helfen euch als Schreibende besser weiter.
Bevor wir uns anschauen, wo sich gute Lektorinnen finden lassen, hier nochmal die Übersicht in Form einer Checkliste:

Speichert euch das Bild gern ab, damit ihr es jederzeit zur Hand habt, wenn euch jemand ein Lektorat verkaufen will.
Nachdem wir die Prinzipien und Anforderungen geklärt haben, schauen wir uns nun an, wo ihr diese Spezies der lektorierenden Leseratten und Bücherwürmer finden könnt.
Zum einen ist da die oben schon aufgeführte Datenbank des VFLL. Dort könnt ihr diverse Filter setzen und eingeben, in welchem Genre ihr nach einem Lektorat sucht. Das hilft in jedem Fall schon mal, um eine Vorauswahl zu treffen.
Dann sind da natürlich Internet-Suchmaschinen und Social Media. Allein wenn ihr bei der Accountsuche auf Instagram »Lektorat« eingebt, werden euch unzählige Profile angezeigt. Klickt euch da gern ein wenig durch, oft hilft auch das schon, um vor einem Erstkontakt abzuklopfen, ob euch die Vibes zusagen. Bestenfalls könnt ihr aus dem Content der jeweiligen Lektorin schon ein paar Tipps für euer Schreiben und/oder Autorinnenleben mitnehmen.
Wenn euch die Sucherei zu umfangreich wird und euch der Kopf schwirrt: Fragt bei Selfpublisherinnen nach (die bestenfalls in dem Genre veröffentlichen, in dem auch ihr selbst schreibt), von wem sie ihre Bücher lektorieren lassen.
Alternativ könnt ihr auch ins Impressum von Büchern schauen, die euch gut gefallen haben. Ein Caveat gibt es hier allerdings: Nicht alle Verlage schreiben ihre zuständigen Lektorinnen ins Impressum (manche Autorinnen erwähnen sie aber trotzdem in der Danksagung) und nicht alle im Impressum aufgeführten Lektorinnen arbeiten selbstständig, sondern sind oft bei den Verlagen fest angestellt.
Und dann sind Lektorinnen auch untereinander gut vernetzt. Wenn also eure Wunschlektorin gerade keinen Slot frei hat oder euer Genre nicht bedient, hilft sie euch sicher gerne weiter und kann euch Kolleginnen empfehlen.
Mit diesen Tipps seid ihr nun gut gerüstet für die Suche nach dem perfekten Lektorat für euch. Wenn sich noch Fragen ergeben oder ihr Ergänzungen für diese Liste habt, lasst es mich gern wissen – ich freue mich immer über den Austausch.
* Im Zuge der Vereinfachung nutze ich im folgenden Text das generische Femininum. Personen anderen Geschlechts sind hierbei selbstverständlich mitgemeint.
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